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Eine Karte erstellen: Grenzüberschreitende und interkulturelle Darstellungen von der Antike bis heute. Université de Haute-Alsace, Mulhouse; 20.05.2019 – 22.05.2019

Das Kolloquium will die Reflexion und Diskussion über die Formen kartographischer Darstellung von grenzüberschreitenden und interkulturellen Phänomenen anstoßen. Interdisziplinär und international ausgerichtet, soll es dazu ermuntern, die Karte jenseits der politischen Grenzen zu sehen, indem es zu einer verstärkten Reflexion auf drei Ebenen anregt: mit Blick auf die Zeit (d. h. mit der Frage, inwiefern interkulturelle Phänomene mit dem kartographischen Arbeiten im Laufe der Geschichte verträglich waren), mit Blick auf den Raum (d.h. mit der Frage, wie man sich interkulturellen und grenzüberschreitenden Phänomenen nähert, je nachdem was das Untersuchungsgebiet der jeweiligen Karten ist oder wo sie diese hergestellt und verbreitet worden sind) und mit Blick auf die Methode (d.h. mit der Frage, wie und weshalb sind Karten zu erstellen sind, die solche Phänomene einbeziehen).

Die Arbeiten am Historischen Atlas des Elsass haben gezeigt, dass die derzeitigen politischen Grenzen, insbesondere die Grenze, die Frankreich und Deutschland entlang des Rheins trennt, oft wenig relevant sind für die kartographischen Projekte zu früheren Perioden oder zu kulturellen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder umweltgeschichtlichen Phänomenen. Letztere reichen in der Tat häufig über die rein
praktischen (oder administrativen) Denkweisen hinaus, welche die Wahl von Maßstab und Kartenraum allzu oft bestimmen. Ob die Karten nun in das geographische Informationssystem integriert sind oder nicht, so erlauben sie doch, Phänomene, Strukturen und Formen der Raumorganisation ins Licht zu setzen, die einer anderen Logik als jener der politischen Territorien entsprechen. Sei es aufgrund bewusster Auswahl oder wegen technischer (Maßstab, Projektion), graphischer (bildliche Darstellung, Reduktion) und geistiger Zwänge blendet die Karte Sachen ein, wie sie auch Sachen ausblendet, und, um ganz bestimmten Bedürfnissen zu entsprechen, fixiert sie auf Papier (oder Bildschirm) Kontraste dort, wo andere Kriterien Kontinuitäten zum Vorschein brächten, oder umgekehrt.

Das Kolloquium möchte einen Beitrag zu dieser Reflexion über die kartographische Vorgehensweise leisten und nach den Formen fragen, wie sich einerseits grenzüberschreitende und andererseits interkulturelle Phänomene räumlich darstellen lassen. Erstere verweisen zwangsläufig auf den Begriff der modernen politischen Grenze. Als Abgrenzung gedacht zwingt diese Grenzziehung zur systematischen Unterscheidung zwischen den Territorien, die sie einerseits trennt und doch zugleich verbindet. Umgekehrt lädt die interkulturelle Perspektive dazu ein, sie als dynamische Grenzen zu betrachten, die fließend wie durchlässig sind. In diesem Sinn sind solche Grenzen weit davon entfernt, mit den politischen Grenzen grundsätzlich übereinzustimmen.

Drei eng miteinander verbundene Frageraster sind für die Vorträge und Diskussionen richtungsweisend. Das erste ist zeitlich orientiert und bezieht sich sowohl auf die Geschichte der Kartographie als auch auf die historische Kartographie. Es geht darum, die Kartenwerke einer Epoche zu überprüfen, um zu sehen, wie sie bestimmte territoriale Konfigurationen haben fixieren können, oder ob sie im Gegenteil, weil sie von einer bestimmten Ideologie geprägt sind, Formen der Raumorganisation unberücksichtigt ließen, die mit ihrer Botschaft unvereinbar waren. Die kartographischen Arbeiten, die in der Neuzeit wie heutzutage im Kontext kolonialer Unternehmungen durchgeführt wurden, erscheinen besonders günstig für einen solchen Frageansatz. Inwiefern hatten die Karten auch Anteil an der Konstruktion nationaler Systematik in der Darstellung ? Ferner, in welchem Ausmaß beobachtet man hier Entwicklungsstränge oder Verzweigungen ? Man wird sich gleichermaßen dafür interessieren können, wie z. B. geopolitische Gegebenheiten der Vergangenheit ihren Niederschlag in der Kartographie fanden oder wie Karten als pädagogisches Werkzeug benutzt wurden. Die Gegenüberstellung von Territorien, wie sie auf alten Karten zu sehen sind, und solchen, die mit anderen Methoden profiliert wurden, durchaus auch in der Gegenwart, wäre eine willkommene Facette der hier interessierenden Fragestellung.

Ein zweiter Fragenstrang soll dem Vergleich der kartographischen Vorgehensweisen in verschiedenen Räumen gelten, die von interkulturellen oder transkulturellen Phänomen geprägt sind. Hier sind Studien zu grenzüberschreitenden Beispielen zu bevorzugen, damit auf diese Weise mögliche Unterschiede der Darstellung ein und desselben Raumes sichtbar werden. Man könnte den verschiedenen geistigen Umgang mit Karten und deren verschiedene Verwendung als Informationsmittel und Arbeitsinstrument durch gesellschaftliche Gruppen, die sich durch ihre kulturelle, staatliche und sprachliche Zugehörigkeit unterscheiden, gegenüberstellen. Zudem ermöglicht es der derzeitige immer leichter und breiter werdende Informationszugang (namentlich dank ihrer Digitalisierung, die zu ihrer Internationalisierung beiträgt), Karten in anderen kulturellen Kontexten als dem, in dem sie hergestellt wurde, zu untersuchen. Dies könnte neue intellektuelle, gesellschaftliche und politische Herausforderungen hinsichtlich der Darstellung von Raum und Territorium hervorbringen und eine Rolle bei der Verbreitung von Techniken, Ideen und Wissen spielen. So stellt sich die Frage, ob die Raumdeutungen, wie sie jedem politischen und kulturellen System eigen sind, den Wechselwirkungen, die sich im großregionalen (z. B. Europa) und globalen Maßstab vervielfältigen widerstehen können.

Die Methodenfragen werden den dritten, die Veranstaltung strukturierenden Fragenbereich ausmachen, indem sie die Teilnehmer dazu einladen, über die Art nachzudenken, wie sich grenzüberschreitende Dynamik und interkulturelle Gegenstände kartographieren lassen. Vom heuristischen Schritt, der zur Karte führt, hin zu den beschränkenden Vorgaben größerer wissenschaftlicher und pädagogischer Projekte wie beispielsweise der Atlas oder die SIG erscheinen die Abläufe, Herangehensweisen und Lösungen zu unterschiedlich und zahlreich, um dafür eine kohärente graphische Darstellung vorzuschlagen – dies umso mehr als es sich um historische Phänomene handelt, bei denen die aktuellen Grenzen nicht mehr sinnvoll sind. Welchen Nutzen kann, wenn die Karte einmal realisiert ist, ein Historiker, Geograph, Archäologe, Soziologe daraus ziehen, um die grenzübergreifenden oder interkulturellen Fragen zu entwickeln und zu studieren ? Das Kolloquium wird Gelegenheit dazu bieten, die Arten der Auswertung bei solchen kartographischen Projekten zur Sprache zu bringen.

Das Kolloquium versteht sich interdisziplinär, um die Gesamtheit der Akteure in der wissenschaftlichen, institutionellen, wirtschaftlichen und pädagogischen Welt zu versammeln, die allesamt Karten herstellen oder in ihrer täglichen Arbeit «konsumieren». Es wird eine internationale Dimension haben, die mit Blick auf die Methoden und Herangehenswesen an die Karte unverzichtbar ist. Organisiert von CRESAT, findet das Kolloquium vom 20. bis zum 22. Mai 2019 in der UHA (Mulhouse) statt.

Die Vorschläge für Vorträge (auf Deutsch, Französisch oder Englisch, maximal 5000 Zeichen) sind zu senden an benjamin.furst@uha.fr bis spätestens zum 30. November 2018, zusammen mit einem kurzen Text über den Referenten bzw. die Referenten.

Veranstaltungsort
Campus Fonderie 16 rue de la Fonderie
Université de Haute-Alsace
68100 Mulhouse

Kontakt

Benjamin Furst
Université de Haute-Alsace (CRESAT)
16 rue de la Fonderie, 68100 Mulhouse
benjamin.furst@uha.fr