Das Forschungsprojekt leistet einen Beitrag zu einer feministischen Wissenschaftsgeschichte der deutschsprachigen Geographie zwischen ihrer Etablierung als universitärer Disziplin im späten 19. Jahrhundert und den ersten Berufungen von Frauen auf Professuren. Damit wird einerseits darauf gezielt, die bislang nicht thematisierte und vielfach unsichtbar gemachte Arbeit von Frauen und ihren Beitrag zur Produktion geographischen Wissens sichtbar zu machen und damit eine heterogenere und inklusivere Geschichte des Faches zu schreiben. Andererseits werden die konzeptionellen und methodologischen Überlegungen feministischer Wissenschaftsgeschichte in diesem Projekt dazu genutzt, diese Geschichte anders zu schreiben und Impulse in das weitere Feld der Disziplingeschichte zu liefern. Damit adressiert das Projekt Desiderate sowohl im Feld der feministischen Geographie wie auch der geographischen Disziplingeschichte.
In der anglophonen Geographie begannen in den 1970er Jahren feministische Geograph_innen damit, zunächst die aktuelle Geographie einer feministischen Kritik zu unterziehen und hiermit den Ausschluss von Frauen aus der Produktion geographischen Wissens, den Ausschluss „weiblicher“ Themen aus der Forschung und die epistemologischen Grundlagen des Faches zu kritisieren. In diesem Zusammenhang wurde auch die Geschichte des Faches aus feministischer Perspektive in den Blick genommen. In zahlreichen Arbeiten wurde deutlich gemacht, wie sehr die dominante Geschichtsschreibung der Disziplin als einer Geschichte weißer Männer nicht allein Ausdruck eines faktischen Ausschlusses von Frauen von der Produktion wissenschaftlichen Wissens beruht, sondern auch auf einer Ausblendung und Unsichtbarmachung der von Frauen geleisteten Arbeit in der Disziplin. In den Fokus gerieten dabei beispielsweise bislang wenig beachtete Geographinnen innerhalb und außerhalb der Universitäten, die Rolle geographischer Verbände und Gesellschaften, der Bereich der angewandten Geographie aber auch eine feministische Perspektive auf das historisch hegemoniale geographische Wissen, wie etwa den länderkundlichen Blick.
In der deutschsprachigen Geographie hat eine solche Geschichtsschreibung bisher nicht stattgefunden. Diese Abwesenheit einer fundierten Auseinandersetzung mit Geographinnen in der Geschichte der Geographie ebenso wie feministischer Perspektiven auf die Geschichte der Produktion geographischen Wissens führt dazu, dass auch in aktuellen Lehrbüchern bis in die 1960er Jahre keine Frauen als Produzentinnen geographischen Wissens auftauchen. Geographie stellt sich damit als die Arbeit weißer Männer dar und dies, so scheint es, beginnt sich frühestens mit den ersten Berufungen von Frauen in den 1960er Jahren langsam zu ändern.
Dass diese Darstellung jedoch wenig plausibel ist, macht einerseits der Vergleich mit der erwähnten anglophonen Geographiegeschichtsschreibung deutlich und andererseits zeigt bereits ein kursorischer Blick in die Publikationslandschaft und die Archive der Geographie, dass spätestens seit den 1920er Jahren eine Vielzahl von Frauen an den unterschiedlichsten Stellen der akademischen Geographie wichtige Beiträge lieferten, sei es als Doktorandinnen, technisches Personal oder als Ehefrauen männlicher Geographen. Diese Arbeit ist aber weder systematisch dokumentiert, noch auch nur exemplarisch untersucht worden. Diese Forschungslücke für die deutschsprachige Geographie zu schließen, ist Ziel der hier formulierten Überlegungen.
Laufzeit
2016-
Bearbeiter
Dr. Boris Michel und Katharina Paulus
Publikationen:
Michel, B. und K. Paulus (2019): Produktionen von Sichtbarkeit, Andeutung und Abwesenheit: Geographinnen in Deutschland vor 1960. In: Geographische Zeitschrift https://doi.org/10.25162/gz-2019-0019
Weitere Informationen
Dr. Boris Michel
Institut für Geographie
Universität Erlangen-Nürnberg
Wetterkreuz 15
D-91058 Erlangen
Tel.: +49 (0)9131 85-23303
E-Mail: boris.michel@fau.de
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