Das Ende des Ersten Weltkriegs bedeutete für Deutschland neben einer wirtschaftlichen und außenpolitischen Schwächung insbesondere auch Gebietsverluste an beinahe allen Grenzlinien. Vor allem die in Folge des Versailler Vertrags entstandene neue Staatsgrenze im Osten wurde zu einer Projektionsfläche für eine deutsche Nichtakzeptanz der Kriegsniederlage. Die wiederholte Forderung nach ihrer Revision wurde zu einer Art common sense innerhalb der deutschen Gesellschaft, in deren Kontext alternative, vermeintlich richtige Grenzziehungen entworfen wurden, die schon bald Territorien als „rechtmäßig deutsch“ deklarierten, die auch am Vorabend des Ersten Weltkriegs kein integraler Bestandteil des deutschen Staatsterritoriums gewesen waren.
Ausgehend von einem breiten Revisionskonsens gegenüber dem Friedensvertrag von Versailles analysiert diese Studie den Ostgrenzen-Diskurs der Weimarer Republik. Indem sie die den Diskurs bestimmenden gesellschaftlichen Akteure, ihre Veröffentlichungskontexte und -strategien sowie die Theorien und Argumentationslinien beschreibt, zeigt die Studie auf, wie sich das Theorem der „ungerechten Ostgrenze“ als gesamtgesellschaftlicher Konsens etablieren konnte. Anhand des Ostgrenzen-Diskurses der Weimarer Republik zeichnet die Untersuchung nicht nur die argumentative Suche einer von Kriegsniederlage und Gebietsabtretungen geprägten Gesellschaft nach einem als rechtmäßig erachteten deutschen Wir-Raum nach, sondern beleuchtet auch das in dieser Phase deutscher Geschichte vorherrschende komplexe Verhältnis der deutschen Territorialdiskurse zum europäischen Osten.
Neben Diskussionen der politischen Publizistik und wissenschaftlicher Abhandlungen basiert diese Studie außerdem auf der Auswertung von Landkarten, Schulbüchern und visuellen Quellen der Alltagspublizistik wie Postkarten.
Agnes Laba, geb. 1982, studierte an der Universität Freiburg und der Universitat de Barcelona Neuere und Neueste Geschichte und Neuere deutsche Literaturgeschichte. Von 2010 bis 2015 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektkoordinatorin am Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft, unter anderem an Projekten zur Demokratiegeschichte der frühen Weimarer Republik und zur Alltagsgeschichte der während des Zweiten Weltkriegs unter deutscher Besatzung stehenden Länder. 2015 wurde sie mit ihrer Studie zum Ostgrenzen-Diskurs der Weimarer Republik an der Universität Gießen promoviert. Seit 2015 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bergischen Universität Wuppertal und verfolgt ein Projekt zur Geschlechter- und Familiengeschichte in Polen und Frankreich unter deutscher Besatzung während des Zweiten Weltkriegs und der folgenden Jahre.
STUDIEN zur Ostmitteleuropaforschung, Bd. 45
2019, X, 480 S., 42 Abb. sw und farbig
€ 90,00
ISBN 978-3-87969-414-3