Die (Re-)Konstruktion und räumliche Situierung kollektiver Identitäten stellt einen zentralen Bestandteil altertumswissenschaftlicher Praxis dar. Doch obwohl Karten als Analyseinstrument und Darstellungsmethode eine wesentliche Rolle spielen, sind ihre Implikationen und Effekte bislang nur unzureichend vergleichend untersucht. Dabei hat man in den Altertumswissenschaften nicht nur immer wieder versucht, geographische Informationen über die Herkunft und Verbreitung von Sprachen, Artefakten, Völkern oder Kulturen narrativ darzustellen, sondern eben auch kartogra-phisch zu fixieren. Solche kartographischen Identitätskonstruktionen können als direkte oder auch indizielle Erfassung historischer Handlungsträger verstanden werden. So gibt es Karten, auf denen etwa Völker oder Sprachgruppen unmittelbar geographisch situiert werden; andere Karten geben lediglich die geographische Verteilung bestimmter Merkmale (linguistische Charakteristika, materielle Objekte etc.) wieder, die als Hinweis auf die Präsenz oder gar Handlungen kollektiver Identitäten angesehen werden. In diesem Sammelband werden Kartierungspraktiken aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven in ihren verschiedenen Ausprägungen und Transformationen kritisch beleuchtet.
Inhalt
Identifikation durch Karten / Susanne Grunwald, Kerstin P. Hofmann, Daniel A. Werning, Felix Wiedemann
Die ethnische Komponente im Aufbau der antiken Karte / Didier Marcotte
Trojaner und Erbfeinde / Robert Born
Stammbaum, Sprachatlas, Linguistic Landscape / Lars Erik Zeige, Philipp Krämer
The Role of Maps in the (Re-)Construction of Territorial Identity: the Example of Catalonia against the Background of Spanish and European Identity / Jörg Mose
Egypt and Maps, Or: What Early Modern Maps Are (Not) Telling Us about the History of Egyptology in Europe / Lucile Haguet
Mapping Political Diversity / Melanie Wasmuth
Kiepert’s Maps after Robinson and Smith: Revolution in Re-Identifying the Holy Land in the Nineteenth Century / Haim Goren, Bruno Schelhaas
Configuring Mesopotamia / Rune Rattenborg
Mapping the Linguistic Landscapes of Mesopotamia / Christian W. Hess
Zuglinien und Wellen auf Papier / Felix Wiedemann
Bedenkliche Karten / Susanne Grunwald
Geographisch-archäologische Methoden und Konzepte der Identitätskonstruktion / Oliver Nakoinz
Herausgeber
Susanne Grunwald, Dr. des. phil. (Leipzig 2012), studierte Prähistorische Archäologie, Alte Geschichte und Mittelalterliche Geschichte in Jena und Leipzig. Zwischen 2005 bis 2008 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Die Burgwallforschung in Sachsen und Ostmitteleuropa von 1927 bis 1995. Zielsetzungen und Methoden der Archäologie im 20. Jahrhundert“ am Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte in Leipzig. Als Stipendiatin der RGK des DAI forschte sie 2017/2018 zur Nachkriegsarchäologie in Deutschland, seit 2018 ist sie Mitarbeiterin am DAI in Berlin. Ihre derzeitigen Forschungsschwerpunkte sind Geschichte der Archäologie und Denkmalpflege, Ausstellungsgeschichte und archäologische Kartographie in Deutschland und Zentraleuropa.
Kerstin P. Hofmann ist Prähistorische Archäologin und Zweite Direktorin der Römisch-Germanischen Kommission in Frankfurt a. M. Zuvor war sie als Auslandsstipendiatin des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom und arbeitete dann als Koordinatorin der Cross Sectional Group V “Space and Collective Identities”, später als Nachwuchsgruppenleiterin des Key Topic Identities beim Exzellenzcluster Topoi. Ihre Forschungsschwerpunkte sind kultureller Wandel, Identitäten und Mensch-Ding-Beziehungen in den Metallzeiten sowie der Frühgeschichte Europas.
Daniel A. Werning Von 2013 bis 2017 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Topoi Lab, Area C Perception and Representation und Mitglied der Forschungsgruppe (C-4) Pictorial Constructions of Space(s) des Exzellenzeclusters Topoi. Im Wintersemester 2016/17 war er Gastprofessor am Institut für Archäologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Hauptforschungsinteressen sind altägyptische Linguistik, Philologie und Religion sowie typologische Sprachwissenschaft allgemein und Digital Humanities.
Felix Wiedemann studierte Neuere Geschichte, Politikwissenschaft und Philosophie an der Freien Universtität Berlin. Dort promovierte er 2006 mit einer Arbeit zur Rezeption der europäischen Hexenprozesse. Felix Wiedemanns Forschungsschwerpunkte sind Wanderungsnarrative in den Wissenschaften vom Alten Orient (1870–1930), Historiographiegeschichte, Geschichte des Orientalismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus und Neureligiöse Bewegungen.