Das Konzept der Transkulturalität (Ortiz; Welsch) löst sich von dem Verständnis statischer, eindeutig abgegrenzter Kulturen und versteht Individuen und Kollektive als Merkmalsträger unterschiedlichster kultureller Identitäten. Transkulturalität ist in Europa nicht nur ein Phänomen von Migration, Globalisierung und Urbanität im 20. und 21. Jahrhundert. Auch in der Vormoderne gab es Räume, in denen Menschen mit unterschiedlichen Sprachen, Religionen, Kulturen und ganz allgemein unterschiedlichen Gruppenidentitäten zusammenlebten, ihre Abgrenzungen untereinander aushandelten und in vielschichtige Austauschprozesse und Wechselwirkungen miteinander verstrickt waren.
Mit dem topographic turn wurde nicht nur die Semantik von Ort und Raum neu gedacht, sondern der Raum auch geöffnet, um auf eine Gleichzeitigkeit des Unterschiedlichen und multiple und/oder situative Zugehörigkeiten hinzuweisen. Das Konzept der Transkulturalität fragt ganz wesentlich auch nach Topografien der Diversität und Hybridisierung, der Abgrenzung und Einvernahme. Es verweist damit auf Räume, die – oft nur auf den ersten Blick – bestimmten Gruppen und Kollektiven zugänglich sind, sich bei näherer Betrachtung aber als Kontaktzonen herausstellen, in denen neue Identitäten emergieren. Der von Akteurinnen und Akteuren eingenommene und angeeignete Ort im umkämpften physischen Raum wird gleichermaßen ein Anzeiger für ihre situative Verortung wie für soziale und räumliche Ausschluss- und Distinktionsmechanismen und/oder auch für ihre fließenden und immer nur im Moment bestimmbaren Identitätsverschiebungen.
Die Tagung fragt nun nach den konkreten räumlichen Manifestationen solcher transkulturellen Exklusions-, Inklusions- und Verschmelzungsprozesse. Sie stellt in den Mittelpunkt, wie transkulturelle Prozesse und Praktiken räumliche Anordnungen schaffen und wie räumliche Dispositionen auf transkulturelle Prozesse einwirken. Es werden insbesondere die landschaftlichen Bezüge von Räumen oder Orten betrachtet sowie die Auswirkungen transkultureller Inklusions- und Exklusionsmechanismen auf die Gestaltung und Entwicklung von Kulturlandschaft untersucht.
Programm
Mittwoch, 19. September 2018
15.00 Uhr Thematischer Stadtrundgang: Der Kieler Matrosenaufstand 1918 – Dark Heritage? (Treffpunkt: Hauptbahnhof Kiel, Ausgang Kaistraße)
19.00 Uhr Begrüßung
Im Anschluss Öffentlicher Abendvortrag von Oliver Auge (Kiel): Eine Region in Bewegung – Zur Migrationsgeschichte Schleswig-Holsteins in Mittelalter und früher Neuzeit
Im Anschluss Empfang
Donnerstag, 20. September 2018
9.00 Uhr Ulrich Müller (Kiel) / Thomas Meier (Heidelberg): Inklusion | Exklusion – Transkulturalität im Raum. Zur Einführung
Übergreifende Aspekte
9.30 Uhr Florian Dünckmann (Kiel): „Alles was passiert, passiert nebeneinander“: Praktikentheorie, Transkulturalität und die Geography without scale
10.10 Uhr Kaffeepause
10.40 Uhr Rolf Tanner (Bern): Transkulturalität im romanisch-deutschen Durchdringungsraum zwischen Gotthard und Dolomiten vom Frühmittelalter bis heute
11.20 Uhr Daniel Knitter (Kiel) / Oliver Nakoinz (Kiel): Model transculturality as the structural coupling of spatial properties and complex social interaction
12.00 Uhr Thomas Schader (Gotha), Warten – eine soziale Praxis im Spannungsfeld von Inklusion und Exklusion
12.40 Uhr Mittagspause
Mittelalter
14.00 Uhr Philipp Meller (Berlin): Globalgeschichte neu denken: Das Konzept transkultureller Kontakträume am Beispiel des ottonischen Ostfranken
14.40 Uhr David Schnur (Schwäbisch Gmünd): Vom Quartier zur Gasse: Das spätmittelalterliche Judenviertel in Frankfurt a.M. im Spiegel von Inklusion und Exklusion
15.20 Uhr Jürgen Heyde (Leipzig): Räume aushandeln – Armenier und Bürger im spätmittelalterlichen Lemberg
16.00 Uhr Kaffeepause
Frühe Neuzeit
16.30 Uhr Jürgen Lafrenz (Hamburg): Die Integration von Exulanten bei Anlage und Ausbau von Häfenstädten an der deutschen Nordseeküste mit Beginn der Frühen Neuzeit
17.10 Uhr Markus Zbroschzyk (Sankt Augustin): Transkulturelle Räume in der Frühen Neuzeit – Kolonisationspolitik preußischer Herrscher
ab 19.00 Uhr Geselliges Beisammensein in der Gaststätte Legienhof (siehe Stadtplan)
Freitag, 21. September 2018
9.00 Uhr Martin Krieger (Kiel): Die „Kartoffeldeutschen“ auf der Kimbrischen Halbinsel im 18. Jahrhundert. Kulturelle und wirtschaftliche Praktiken der Inklusion und Exklusion.
9.40 Uhr Ellinor Forster (Innsbruck): Aneignung des neuen schlesischen Grenzraums mittels Inklusions- und Exklusionsprozessen 1742– 1840
Moderne
10.20 Uhr Kaffeepause
10.50 Uhr David Fuchs (Tübingen): Materielles Kulturerbe auf der Kurischen Nehrung
11.30 Uhr Alina Strzempa (Münster): Die „oberschlesische Synthese“ und das Medium einer (post-)kolonialen Industrielandschaft: Exklusion oder Transkulturalität?
12.10 Uhr Mittagspause
13.30 Uhr Kurzbeiträge (weitere Anmeldungen möglich!)
– Klaus-Dieter Kleefeld (Bonn): Die Arbeitsgruppe für Angewandte Historische Geographie in ARKUM
– Gerhard Ongyerth (München): Das Kommunale Denkmalkonzept in Bayern – Neuer Werkzeugkasten der Stadtentwicklungsplanung
– Alwine Glanz (Wolfegg): „Erzählen Sie Ihre Geschichte!“ – Ein Praxisbericht über das Interreg V Projekt „Migration nach Vorarlberg und Oberschwaben“ im Bauernhaus-Museum Allgäu-Oberschwaben Wolfegg
– Patrick Reitinger (Bamberg): Transkulturale Translokalität in Bayern und Tschechien – Zur grenzüberschreitenden Beziehung von Kulturlandschaft und politischer Ideengeschichte im 20. Jahrhundert
– Thomas Meier / Arjan Conijn / Carsten Zube / Bertil Mächtle (Heidelberg): Mittelalterlicher Hochwasserschutz am Oberrhein
15.30 Uhr Kaffeepause
ab 19.00 Uhr Geselliges Beisammensein in der Gaststätte Zass – Schnitzelhaus Nr. 1 (siehe Stadtplan)
Samstag, 22. September 2018
Exkursion mit Schwerpunkt „Deutsch-dänische Kontakträume“
Leitung: Martin Krieger (Kiel); Rückkehr ca. 16 Uhr am Hauptbahnhof Kiel (Anmeldung erforderlich!!! Teilnehmerbeitrag inkl. Essen 30 €)
Für Anmeldungen wenden Sie sich bitte an Irene Zerza (zerza@geographie.uni-bonn.de).