In die Jahre 2017 und 2018 fallen nicht nur 100. Jahrestage der Russischen Revolution und des Endes des Ersten Weltkriegs, die mit dem Zerfall der Imperien in Mittel- und Osteuropa verbunden sind, sondern auch die Entstehung einer neuen Staatenlandschaft in Nordosteuropa, beginnend mit Finnland im Dezember 1917,
gefolgt dann im Februar 1918 von Litauen und Estland und dann schließlich im November von Polen und Lettland. Die Jubiläen der Staatsgründungen sind bereits Gegenstand umfangreicher offizieller Gedenkveranstaltungen und ebenso historischer Debatten in den jeweils nationalen Rahmen.
Die Konferenz beabsichtigt, eine bereite regionale Perspektive zu entwickeln auf den Ausgang des „Großen Kriegs“, der im östlichen Europa teilweise noch mehrere Jahre andauerte. Die Tagung wird sich zum einen mit transnationalen Verflechtungen und parallelen Entwicklungen befassen. Zum anderen soll ein Schwerpunkt gelegt
werden auf die unterschiedlichen Raumvorstellungen und Regionalisierungen in der Ostseeregion einschließlich ihrer politischen, kulturellen, sozialen Konzeptionen. Den Hintergrund für diese Raumvorstellungen hat Tomáš G. Masaryk 1918 bereits in seiner Beschreibung des “Neuen Europa” skizziert: die kleineren Nationen suchten nach Allianzen, um ihre Selbstbestimmung zu erlangen und zu sichern. Diese Versuche, eine über die neuen Staaten hinausreichende größere Region zu konstituieren,
wurden nicht zuletzt von Wissenschaftlern und Publizisten unterstützt und manifestierten sich auch in der kulturellen Sphäre. Selbst wenn diese regionalen Strategien politisch nur begrenzten Erfolg hatten, bevor die neuen Staaten im Zweiten Weltkrieg unter der doppelten Okkupation durch das nationalsozialistische
Deutschland und die Sowjetunion von der politischen Landkarte verschwanden, erlebten diese Raumvorstellungen doch eine Renaissance im baltischen Regionalismus am Ende des Kalten Kriegs und in den Debatten über die Einheit der Ostseeregion nach 1991.
Vor diesem Hintergrund sollen die Nations- und Regionsbildungsprozesse in Nordosteuropa am Ende des Ersten Weltkriegs und in den Nachkriegsjahren erörtert werden. Dabei sollen u.a. die folgenden Themen diskutiert werden:
– der deutsche und russische / sowjetische Einfluss in Nordosteuropa von ca. 1915-1925,
– Regionsverständnisse in den Gesellschaften an der Ostsee,
– baltische und nordische Zusammenarbeit,
– soziale, territoriale und Grenzkonflikte,
– die Formierung neuer Gesellschaften (Staatsbürgerschaft, Minderheitenpolitik, Eigentumsordnungen).
Themenvorschläge werden mit einem kurzen Abstrakt und einer biographischen Notiz auf Deutsch oder Englisch erbeten bis 10.8.2018