Termine

Kulturen im Anthropozän. Eine interdisziplinäre Herausforderung, Innsbruck, 03.02.2021 – 06.02.2021

Der Begriff des Anthropozäns, von den Naturwissenschaftlern Crutzen und Stoermer seit 2000 popularisiert, ist längst auch in den geisteswissenschaftlichen Diskurs eingegangen, nicht zuletzt aufgrund der prominenten Abhandlungen von Chakrabarty (2009) und Latour (2015). Anthropozän bezeichnet jene geologische Epoche, die das menschliche Handeln (Industrie, Verkehr, Landwirtschaft) als Einflussfaktor auf die Entwicklung der Erde – also in planetarischen Skalen – fasst. Deshalb ist der Begriff gerade in Zeiten des Klimawandels unverzichtbar geworden, um die Erde-Mensch-Beziehung zu beschreiben, wenn auch die Frage nach dem ánthropos dabei viel diskutiert ist.

Wir leben auf einer Erde, aber in verschiedenen Welten (vgl. Stockhammer 2014). Wie ist Geschichte vor diesem Hintergrund zu denken, gerade in transnationaler und transversaler Perspektive, auf das Bewohnen einer einzigen Erde hin? Welche ethischen Herausforderungen kommen auf uns zu bei territorialen Konflikten, Ausbeutung, Ressourcenknappheit und zunehmender Migration? Was bedeutet diese „negative Form kosmopolitischer Verbundenheit“ (Braidotti 2017) für Geographien und Kulturen? Aktuell stellt der Lyriker und Philosoph Daniel Falb mit Geospekulationen (2019) besonders die metaphysische Seite des Denkens im Anthropozän heraus: Es gehe um die letzten und ersten Gründe der Existenz, aus einer mehrgenerationalen Perspektive. Doch welche Art von Governance wäre hierbei vorstellbar, welche Rolle spielte dabei der (Post-)Humanismus und welche Verantwortung ergäbe sich in der Gegenwart für die Zukunft (vgl. Bajohr 2019)?

Die Frage nach dem Anthropozän ist von Beginn an eine inter- bzw. transdisziplinäre, umfasst also auch mehrere wissenschaftliche Kulturen. Sie impliziert mehrere Ebenen: 1) die zeitliche Ebene, die nach den ersten und letzten Dingen fragt, nach Tiefenzeit, Geschichtsschreibung und Zukunftsvisionen; 2) die räumliche Ebene, die nach Zugehörigkeit und Aufteilung fragt, sowohl vertikal als auch horizontal; und 3) die menschliche Ebene, die nach Verantwortung und Lösungsvorschlägen sucht.

„Plastikplanet“, „Korallenbleiche“, „Gletschersterben“ – für Wissenschaft und Künste werfen diese viel benutzten Komposita neue Fragen auf. Sprache kann als Aushandlungsraum dieser Herausforderungen gelten: Denn unser Denken ändert sich, je nachdem ob wir von „Klimawandel“, „Klimakrise“ oder „Klimakatastrophe“ sprechen. Handeln wird, wie diese Steigerung zeigt, immer dringender. Die Drastik der Situation wird durch neue Begriffe, aber auch durch neue Forschungszentren und wissenschaftliche Kooperationen zwischen Natur- und Geisteswissenschaft deutlich (vgl. Horn 2019). Wie kann Wissenschaft, dezidiert transnational und transdisziplinär ausgerichtet, neue Antworten auf diese drängenden Fragen finden, für den Menschen in einer globalisierten und von ihm selbst bedrohten, aber umso mehr auf Solidarität und kollektiv verantwortliches Denken angewiesenen Welt?

Mögliche Anknüpfungspunkte und Fragestellungen der Tagung sind:

– Transnationales, fachübergreifendes und transkulturelles Denken über das Anthropozän: Welche Begriffe gibt es, welche Konzepte und Vernetzungen? Brauchen wir neue Formen der Wissensproduktion, die sich für die Erfassung des globalen Wandels eignen?

– Wie ist Raum im Spannungsfeld zwischen lokalen, regionalen, globalen bzw. planetarischen Betrachtungsebenen neu zu denken? Zwischen Geo- und Biosphäre? Wie ist dieser Raum aufzuteilen, wie die Ressourcen, bei wachsender Migration und Knappheit in Zeiten des globalen Wandels?

– Welche Rolle spielt das Anthropozän in Hinsicht auf die wissenschaftliche und künstlerische Erschließung von Geschichte, Gegenwart und Zukunft? (Zukunftsvisionen zwischen Apokalypse und der Bevölkerung des Alls)

– Welche neuen Arten von Governance, Akteurskonstellationen bzw. Machtverhältnissen ergeben sich im Anthropozän, wie müssen politische Kulturen im Anthropozän neu gestaltet werden, um nachhaltig zu sein?

– Welche Weltanschauungen spiegeln sich in den Diskursen um das Anthropozän? Beziehungen zwischen Ganzem (Welt, Kosmos) und Teilen (Mensch, Natur)

– Welche Rolle spielt der Mensch? Zwischen Technik, Kultur und Natur bewegen sich die Konzepte der Beschreibung des Menschen. Was für Handlungsmöglichkeiten gibt es? Was ist zu sagen zu Transhumanismus, Posthumanismus, Humanismus?

– Welche neuen Genres lassen sich in der Kunst und Literatur herauslesen? (Lyrik im Anthropozän, Climate Fiction, Science Fiction, utopische/dystopische Narrative, Texte über aussterbende Arten etc.)

Abstracts im Umfang von 300-500 Wörtern (samt Kurzbiographie und Liste der Veröffentlichungen) bis 30.05.2020 per E-Mail an Anthropozaen2021@uibk.ac.at. Die Einladungen zur Konferenz erfolgen per Mail bis spätestens 30.06.2020. Arbeitssprachen der Tagung sind Deutsch und Englisch, die Konferenz ist explizit inter- bzw. transdisziplinär ausgerichtet.

Organisation: Forschungszentren Kulturen in Kontakt und Globaler Wandel – regionale Nachhaltigkeit der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.

Kontakt

Antonio Salmeri

Anthropozaen2021@uibk.ac.at

Anthropozaen2021@uibk.ac.at