Heimat ist gerade wieder in aller Munde: Etikettiert als „Geschmack der Heimat“ und „Heimat Shoppen“ verkaufen sich Käseprodukte ebenso gut wie Tischwäsche oder Regenschirme. Lokale Medieneinrichtungen nennen sich „Heimatradio“ und „Heimatzeitung“, Tourismusagenturen laden ein, „Heimat zu entdecken“.
Heimat wird zum nostalgischen Bezugspunkt in einer unübersichtlichen, globalisierten Welt. Heimat erschöpft sich allerdings nicht in ihrer Funktion als kollektives Therapieangebot in der Krise spätmoderner Gesellschaftsmodelle. Das Thema dringt weit in die Bildungs- und Vermittlungsarbeit, wird musealisiert und politisiert: Inzwischen verteilen bundesweit mehrere Heimatministerien Wertschätzung und Finanzmittel in die regionale Heimatvereinsszene, Städte stiften Heimatpreise – Heimat scheint zu einer wichtigen Kategorie und zu einem zentralen Argument von (regionaler?) Kulturförderung zu werden. Daneben erstarken europaweit nationalistische Bewegungen, die Heimatschutz fordern und dabei diesen Begriff auf eine ausgrenzende Volkstums-Ideologie verengen.
Diese aktuelle Konjunktur des Heimatbegriffs fordert gerade Wissenschaften und Institutionen, die im Regionalen forschen und arbeiten, heraus. Die Ansätze der Landeskunde mit ihrer interdisziplinären Perspektive auf Kultur, Sprache und Geschichte in den Mikrostrukturen von Region und Alltagsbezügen und ihren Wirkungen in Museen, Vereinen und lokalen Diskursen ist in besonderem Maße gefordert, diese Prozesse zu analysieren, in historische wie aktuell politische Kontexte einzuordnen und zu erklären.
Die Tagung fragt nach den Konzepten von Heimat im Regionalen unter Berücksichtigung der Vermittlungs- und Kulturarbeit sowie der medialen Verarbeitung und Nutzung. Welche Funktionen hat der Begriff in welchen Kontexten und welche Akteure nutzen ihn wie? Welche Methoden und Konzepte stehen der Landeskunde zur Verfügung, um dieses hochpolitische Thema angemessen zu bearbeiten?
Ziel der Tagung ist es, den Heimatbegriff für eine moderne Landeskunde nutzbar zu machen und mit einer klaren Positionierung in wissenschaftliche wie öffentliche Netzwerke zu wirken.
Alle Interessierten sind herzlich willkommen! Um vorherige Anmeldung bis zum 31.10.2019 per e-mail oder telefonisch wird gebeten.
Programm
Donnerstag, 07.11.2019
Ankunft mit Begrüßungskaffee ab 9.30 Uhr
10.00 Uhr Begrüßung
Milena Karabaic, LVR-Landesrätin für Kultur und landschaftliche Kulturpflege
Dr. Veit Veltzke (LVR-Niederrheinmuseum Wesel)
10.30 Uhr Dr. Dagmar Hänel (Bonn): Schon wieder Heimat? Eine Einführung
11.00 Uhr Kaffeepause
Heimat – ein problematischer Begriff?
Moderation: Prof. Dr. Ove Sutter (Bonn)
11.30 Uhr Prof. Dr. Jens Jäger (Köln): Heimat – ein problematischer Begriff
12.00 Uhr Prof. Dr. Manfred Seifert (Marburg): Zum Heimatbegriff aus europäisch-ethnologischer Perspektive
12.30 Uhr Prof. Dr. Gertrude Cepl-Kaufmann (Düsseldorf): Imaginierte Räume
13.00 Uhr Mittagspause (mit kleinem Imbiss)
Musealisierung von Heimat
Moderation: Guido van Büren (Jülich)
14.00 Uhr Impulsgespräch mit:
Dr. Sara Demiriz (Planungsgruppe Geschichte, Politik und Demokratie NRWs)
Felix Hildebrand (LVR-Niederrheinmuseum Wesel)
Laurenz Sandmann (Dezentrales Stadtmuseum Warendorf)
Dr. Gabriele Uelsberg (LVR-LandesMuseum Bonn)
15.30 Uhr Kaffeepause
Immaterielle Heimaten
Moderation: Dr. Maike Schmidt (Bonn)
16.00 Uhr Dr. Georg Cornelissen (Bonn): „Die wahre Heimath ist eigentlich die Sprache.“ Humboldts Diktum aus landeskundlicher Perspektive
16.30 Uhr Prof. Dr. Helmut Brall-Tuchel (Düsseldorf): Was ist Heimatliteratur? Aspekte des Heimatbegriffs in Dichtung und Publizistik des 19. und 20. Jahrhunderts
17.00 Uhr Prof. Theo Grütter (Essen): Heimat Ruhrgebiet? Zur musealen Rekonstruktion eines altindustriellen Industrieraumes
18.00 Uhr Get together: Austausch, Gespräche und Imbiss
Abendprogramm
19.30 Uhr Burkhard Spinnen (Münster): Warum ich kein Heimatdichter bin bzw. sein kann/darf
Gespräch mit dem Autor
(Moderation: Michael Serrer, Vorsitzender des Literaturrats NRW, Düsseldorf)
Freitag, 08.11.2019
Medien und Heimat
Moderation: Thomas Ohl (Wesel)
10.00 Uhr Dr. Klaus Kleefeld (Köln): Heimat digital?
10.30 Uhr PD Dr. Manuel Trummer (Regensburg): „Da bin ich daheim!“ Heimatpolitik im öffentlich-rechtlichen Fernsehen
11.00 Uhr Kaffeepause
Heimat als Argument
Moderation: Dr. Helmut Rönz (Bonn)
11.30 Uhr Jennifer Faber (Berlin): Heimat – ein Begriff der politischen Bildung?
12.00 Uhr Prof. Dr. Stefan Goch (Düsseldorf): Eine Heimat nirgendwo, zuhause irgendwo? (Empirische) Ergebnisse der Sozialraumanalyse
Heimat: Impulse für eine moderne Landeskunde?
Moderation: Dr. Martin Bredenbeck (Köln)
12.30 Uhr Georg Mölich (Bonn): Heimat. Ein regionalhistorisches Statement
13.00 Uhr Dr. Dagmar Hänel (Bonn): Immer noch Heimat? Ein landeskundliches Fazit
13.30 Uhr Ende der Tagung
Im Anschluss an die Tagung bieten wir Ihnen noch Gelegenheit, einen gemeinsamen Mittagsimbiss einzunehmen und im Anschluss (ab 14.15 Uhr) an einer Führung durch die Ausstellungen des LVR-Niederrheinmuseums Wesel teilzunehmen.
Kontakt
Gabriele Scheibe
LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte
gabriele.scheibe@lvr.de
Tel.: 0228 / 9834-229