abgeschlossene Forschungsprojekte

Raumbezogene Imaginationen der Arktis im Kontext und Nachleben der dritten Franklin-Expedition 1845-1848

In der konstruktivistisch geprägten Neuen Kulturgeographie spielen, insbesondere bei der Beschäftigung mit audiovisuellen Medien, Ideen über die sozialkulturelle Konstruktion von Welt(en) eine große Rolle. So erfreuen sich, oft implizit, theoretische Ansätze der Geographical Imaginations, Imaginative Geographies oder auch Geographical Imaginaries großer Beliebtheit. Sie gehen davon aus, dass Räume, wie sie in Medien dargestellt werden, keine objektiven Abbildungen von realen Gegebenheiten sind, sondern diese viel eher als durch subjektive Vorstellungen, Ängste, Wünsche und gesellschaftliche Machtgefüge aufgeladene Repräsentationen zu deuten sind. Wie genau diese Imaginationen jedoch produziert, kommuniziert und mit welchen Folgen konsumiert werden; oder wie sie sich empirisch aus den jeweiligen Medien „extrahieren“ lassen, bleibt oftmals ungeklärt.

Genau an dieser (Leer-)Stelle möchte ich mit meinem Dissertationsprojekt ansetzen. Am Fallbeispiel der dritten Franklin Expedition 1845-1848 fokussiere ich mich auf spezifische Praktiken der Herstellung von Imaginationen der Arktis im Kontext und Nachgang der Unternehmung. Die Arktis bietet dabei einen nahezu idealtypischen Raum, waren doch die Gebiete des Hohen Nordens als letzte „weiße Flecken“ auf den Karten bis zuletzt Kristallisationspunkte für Fantasien, Ängste und Wünsche. Auch heute noch beziehen die meisten Menschen ihr Wissen über die Polargebiete vornehmlich aus Medien. Die Franklin-Expedition wiederum nimmt in der Geschichte der Polarforschung aus mehreren Gründen eine besondere Rolle ein. Denn sie war 1845 die teuerste und aufwendigste Expedition, die jemals von der britischen Admiralität auf die Suche nach der Nordwestpassage geschickt wurde und trotzdem spurlos verschwand. Im Rahmen von zahllosen zeitgenössischen Suchexpeditionen wurden zwar Franklin und seine Mannschaft nicht gefunden, aber – neben der Herstellung und Verbreitung mannigfaltiger Imaginationen – der kanadisch-arktische Archipel nahezu komplett kartiert.

Aufgrund der unüberschaubaren Menge an Material, die zu Franklin und seiner Expedition vorhanden ist, fokussiere ich mich dabei auf zwei Hauptfragen: Welche Imaginationen der Arktis fanden im unmittelbaren Nachgang der Suchexpeditionen Eingang in Kartenwerke und wie wurden diese – u.a. über die Publikationsorgane der Geographischen Gesellschaften – weltweit verbreitet? Welche Imaginationen der Arktis werden dem heutigen Publikum wie durch Dokumentar- und Spielfilm erlebbar nahegebracht? Dementsprechend konzentriere ich mich auf zwei Kernpraktiken der Herstellung von Imaginationen der Arktis: kartographische Produktion (in historischen Karten) und audiovisuelle Produktion (in Dokumentar- und Spielfilmen). Insbesondere die historische Perspektive erscheint mir dabei als besonders hilfreich, da sich dadurch – so meine These – die Grundmuster von Imaginationen des Nordpolargebiets (und deren oft ganz materielle Folgen) herausarbeiten lassen, die dann – an ein großes Publikum weltweit kommuniziert, die konstante Grundlage für weitere, bis heute in Filmen vermittelte Imaginationen des Polaren bilden.

 

Laufzeit 
10/2015 – 12/2020

Bearbeiter 
Stephan M. Pietsch, M.A. Humangeographie

Betreuerin
Prof. Dr. Ute Wardenga (Leibniz-Institut für Länderkunde Leipzig)

Publikationen

Pietsch, Stephan (2021): Historische Imaginationen des Nordpolarmeeres. In: Andreas Dix (Hg.): Zwischen Geschichte und Geographie, zwischen Raum und Zeit II. Beiträge der Tagung vom11.02.2016 und 12.02.2016 an der Universität Bamberg. LIT-Verlag: Berlin, S. 17-27.

Pietsch, Stephan (2016): Rezension zu Demhardt, Imre Joseph (2016): Aus allen Weltteilen. Die Arktis. In: Berichte. Geographie und Landeskunde 90 Heft 3 S. 250-252.

Institution
Universität Leipzig
Graduate School: Global and Area Studies

Kooperationen
Global and Area Studies Institute, SFB 1199 „Verräumlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen“; beides Universität Leipzig

Weitere Informationen
Stephan M. Pietsch, M.A. Humangeographie
Tel.: +49 341 600 55-176
S_Pietsch@ifl-leipzig.de